Dieser Beitrag ist unserem Namensgeber Dr. Friedrich Funder gewidmet (1872 – 1959). Dieser soll sein turbulentes Leben veranschaulichen und demonstrieren, wieso wir seinen Namen nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Friedrich Funder wurde am 1. November 1872 in Graz als Sohn eines Bäckermeisters geboren. Sein Elternhaus und Erziehung waren vorallem von einer strengen katholischen Religiösität und einer Nähe zur Arbeiterschicht geprägt. Im April 1887 zog der dann 15-Jährige ins Fürstbischöfliche Knabenseminar in der Grazer Vorstadt zog. Funder sollte – und wollte – Priester werden. Zu dieser Zeit kam es auch zu den ersten journalistischen Gehversuchen. Er schrieb für die Schülerzeitung „Walhalla“ und verfasste unter dem Pseudonym „Friedrich Günther“ Gedichte für die katholische Wochenzeitschrift „Der Wahrheitsfreund“. 1892 maturierte Funder in Graz. Seine Maturareise führte ihn nach Linz, zum dritten österreichischen Katholikentag. Dort wurde auch die „Reichspost“ gegründet, ein „modernes unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Österreichs [1]. Es sollte eine Plattform für reformwillige junge Katholiken in Österreich bilden, den sogenannten „Christlichsozialen“. Ambros Opitz hatte die Resolution zur Gründung der „Reichspost“ eingebracht und wurde der erste Chefredakteur. Funder erinnert sich später an den Linzer Katholikentag als „lebensgestaltendes, großes Erlebnis“.
[1] Kurt Paupié: Kurt Handbuch der Österreichischen Pressegeschichte 1848-1959. Band 1. Wien: Wilhelm Braumüller 1960
Der Grazer Theologiestudent zweifelte immer stärker an seiner Berufung zum Priesteramt. Er fasste schließlich den Beschluss Journalist zu werden und folgte einer Einladung von Dr. Carl Weiß nach Wien zu kommen, um sich dem Jus-Studium zu widmen. Auch Ambros Opitz schrieb Funder und bot ihm eine Stelle bei der „Reichspost“ an. Er bekam eine kleine Kammer zum Schlafen im Keller der Redaktion und fing als Korrektor an. 1896 wurde Funder zu einem Redakteur der Zeitung befördert und arbeitete neben seinem Studium täglich von 7:30 bis 16:00 als Leiter der Feuilleton-Redaktion. Am 18. Juli 1898 promovierte er zum Doktor der Rechte und heiratete am 8. Oktober seine Braut Cäcilie Funder.
Ein Angebot von Wiens Bürgermeister Dr. Karl Lueger, von der „Reichspost“ in den viel besser bezahlten Dienst der Stadt Wien zu wechseln, lehnte Dr. Funder ab. Er war mittlerweile Journalist aus Überzeugung. Davon beeindruckt machte Dr. Lueger ihn als einzigen Nichtabgeordneten zum ständigen Mitglied des Christlichsozialen Abgeordnetenklubs des Reichsrates. Mit 30 Jahren wurde der junge Journalist Nachfolger des schwer erkrankten Chefredakteur Ambros Opitz. Im Jahr 1904 wurde Funder auch Herausgeber der „Reichspost“, übernahm also zusätzlich Verwaltungsaufgaben und finanzielle Verantwortung. Durch eine gute Verwaltung und der Zusammenarbeit mit dem „Piusverein“ sowie Dr. Karl Lueger gelang es Funder die „Reichspost“ zu dem führenden Blatt der „Christlichsozialen Reichspartei“ auszubauen. Zu dieser Zeit übernahm Dr. Funder auch einen Sitz im Parteivorstand. Trotzdem bewahrte sich die Zeitung ihre redaktionelle Freiheit. Mehrmals mussten Minister egal welcher Partei zurücktreten, weil die „Reichpost“ in grundsätzlichen Angelegenheiten gegen sie öffentliche Vorwürfe erhob, und dabei die Zustimmung der christlichen Wählerschaft fand. Die „Reichspost“ expandierte weiter bis schließlich ein neues Gebäude in der Strozzigasse Nr. 8 gebaut wurde. Zur selben Zeit stand auch eine politische Neustrukturierung an. In Anbetracht des Alters von Kaiser Franz Joseph wurden große Hoffnungen an die Thronbesteigung von Franz Ferdinand geknüpft. Funder war bereits seit 1905 ein enger Vertrauter des Thronfolgers, der die „Reichspost“ sehr schätzte.
© Die Furche
Dementsprechend traf Dr. Funder die Ermordung von Franz Ferdinand im Jahr 1914 besonders. Nach Intervention höchster Stellen war es ihm auch nicht möglich an dem Krieg zu partizipieren, nachdem der Chefredakteur als „unentbehrlich“ deklariert wurde. Der Zerfall der konstitutionellen Monarchie traf Dr. Funder, trotzdem sahen er und die Redakteure der „Reichspost“ es als Aufgabe sich mit: „Loyalität und Hingebung ihrer Kräfte sich dem neuen Staatswesen zu widmen.“[2] Die „Reichspost“ stemmte sich gegen die Bestrebungen vieler Politiker Österreich an Deutschland anzuschließen. Die große Koalition von Christlichsozialen und Sozialdemokraten, die bis Juni 1920 bestand, bekam die großen Probleme der jungen Republik nicht in den Griff. Dr. Funder, der kein Unterstützer der Koalition war, berichtete darüber sehr kritisch. Als der Chefredakteur dann als österreichischer Gesandter in den Vatikan versetzt werden sollte, intervenierte Dr. Ignaz Seipel, ehemaliger Religionslehrer von Dr. Funders Tochter und dessen enger Vertrauter. Am 31. Mai 1922 wurde Dr. Ignaz Seipel Bundeskanzler und handelte während seiner Amtszeit den Genfer Vertrag aus, der Österreich wirtschaftliches Aufatmen ermöglichte. 1925 erlebte die Reichspost dann ihre größte Verbreitung. Sie erschien in einer Auflage von 50.000 Exemplaren.
[2] Vom Gestern ins Heute – Pamphlet des Friedrich Funder Studentenwohnheim in Wien 8, Strozzigasse 6-8. 1872-1998 STUWO
Im Zuge des Urteils vom „Schattendorfer Prozess“, als die Massen den Justizpalast in Brand steckten, wurde auch das Tor des Redaktionsgebäudes der Reichspost gewaltsam aufgebrochen und Feuer gelegt. Ab 1931 überschwemmte die nationalsozialistische Propaganda dann Österreich. Am 20. Mai 1932 erfolgte der Amtsantritt der Regierung Dr. Engelbert Dollfuß, gefolgt von der Machtübernahme Hitlers in Deutschland. Trotz Widerstände, unter anderem auch der „Reichspost“, wuchs Hitlers Einfluss auf Österreich. Dollfuss wollte den Parteienstaat durch einen autoritären Ständestaat ersetzen. Nachdem Österreich die neue ständestaatliche Verfassung erhielt und Dollfuss kurz darauf von den Nationalsozialisten ermordet wurde, versuchte die „Reichspost“ das Regime zu unterstützen. Funder war ein erklärter Gegner des autoritären Experiments, sah darin jedoch die einzige Möglichkeit Österreich zu retten. Als sich am 11. März 1938 Bundeskanzler Schuschnigg im Radio verabschiedete, wurde Funder noch am selben Tag von der SS in Kärnten verhaftet und in das Wiener Landesgericht überstellt.
Im Mai 1938 wurde Funder zusammen mit der gesamten österreichischen politischen Prominenz in das KZ Dachau transportiert. Die „Reichspost“ erschien in diesem Jahr zum letzten Mal. Am 7. November 1939 erlangte er seine Freiheit wieder. Er wurde von der Gestapo angewiesen nach Baden zu gehen, die Stadt keinesfalls zu verlassen und ein striktes Schreibverbot zu befolgen.
Nach dem Krieg begann Funder mit den übrigen ehemaligen Mitarbeitern der „Reichspost“ mit dem Wiederaufbau der Redaktion. Nachdem ein genereller Papiermangel ein Wiedererscheinen der Tageszeitung unmöglich machte, kam der Gedanke einer Wochenzeitung auf. Am 1. Dezember 1945 erschien zum ersten Mal die katholische Wochenzeitung „Die österreichische Furche“. Anlässlich ihrer Gründung schrieb Funder das sogenannte „Funder-Manifest“, das den Geist und das Wirken der Wochenzeitung klar beschrieb. „Eine Furche will sie sein, die zerstampften Ackerboden einer fruchtverheißenden Saat aufzuschließen hat.“ Die Mission hat sich für Funder mit der Gründung der neuen Wochenzeitung nicht geändert. Weiterhin wollte er ein Sprachrohr für die Christlichsozialen Österreicher sein und kritischen Journalismus betreiben. Dr. Friedrich Funder war sein ganzes Leben lang mit ganzem Herzen Journalist gewesen, und forderte denselben Einsatz von allen, die mit ihm zusammenarbeiteten. Funder stirbt am 19. Mai 1959 mit 86 Jahren. Er hinterlässt ein reiches geistiges Erbe und ein eindrucksvolles Testament, dem sich seine Nachfolger bis heute verpflichtet fühlen.
Natürlich gibt es über Dr. Funder nicht ausschließlich positive Erinnerungen. Unter seiner Leitung polemisierte die „Reichspost“ gegen Liberale, Sozialdemokraten (unterstützte diese jedoch in ihrem Kampf um das allgemeine Wahlrecht) und Deutschnationale. Er lehnte den Rassenantisemitismus Schönerers ab, unterstützte jedoch den Wirtschaftsantisemitismus von Dr. Karl Lueger. Er war bis an sein Lebensende überzeugter Monarchist und unterstützte den Thronfolger Franz Ferdinand, wo er konnte. Daher stand er auch nach dessen Tod an der Spitze der anti-serbischen Propaganda, was ihm den Vorwurf von Kriegshetze einbrachte.
Das Vermächtnis von Funder bleibt ein hohes Maß an Integrität und einem aufrichtigen Journalismus. Er ging in die Geschichte ein als das Paradebeispiel eines christlichsozialen Journalisten und Publizisten, der Zeit seines Lebens seine Werte vertreten hat, ohne davor zurückzuschrecken sich selbst in Gefahr zu bringen. An der Stelle der früheren Redaktion Funders steht heute ein Studentenwohnheim in der Strozzigasse 8, das ihm gewidmet wurde.
Gastbeitrag von Gideon Maydell